Der Bettelsoldat

[377] Mit jammervollem Blicke,

Von tausend Sorgen schwer,

Hink' ich an meiner Krücke

In weiter Welt umher.


Gott weiß, hab' viel gelitten,

Ich hab' so manchen Kampf

In mancher Schlacht gestritten,

Gehüllt in Pulverdampf.


Sah manchen Kameraden

An meiner Seite todt,

Und mußt' im Blute waten,

Wenn es mein Herr gebot.


Mir drohten oft Geschütze

Den fürchterlichsten Tod,

Oft trank ich aus der Pfütze,

Oft aß ich schimmlicht Brod.


Ich stand in Sturm und Regen

In grauser Mitternacht,

Bei Blitz und Donnerschlägen

Oft einsam auf der Wacht.


Und nun nach mancher Schonung,

Noch fern von meinem Grab,

Empfang' ich die Belohnung

Mit diesem Bettelstab.[377]


Bedeckt mit dreizehn Wunden,

An meiner Krück' gelehnt,

Hab' ich in manchen Stunden

Mich nach dem Tod gesehnt.


Ich bettle vor den Thüren,

Ich armer lahmer Mann!

Doch ach! wen kann ich rühren?

Wer nimmt sich meiner an?


War einst ein braver Krieger,

Sang manch Soldatenlied

Im Reihen froher Sieger;

Nun bin ich Invalid.


Ihr Söhne, bei der Krücke,

An der mein Leib sich beugt,

Bei diesem Thränenblicke,

Der sich zum Grabe neigt,


Beschwör' ich euch – ihr Söhne!

O flieht der Trommel Ton

Und Kriegstrommetentöne!

Sonst kriegt ihr meinen Lohn.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 377-378.
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