[377] Mit jammervollem Blicke,
Von tausend Sorgen schwer,
Hink' ich an meiner Krücke
In weiter Welt umher.
Gott weiß, hab' viel gelitten,
Ich hab' so manchen Kampf
In mancher Schlacht gestritten,
Gehüllt in Pulverdampf.
Sah manchen Kameraden
An meiner Seite todt,
Und mußt' im Blute waten,
Wenn es mein Herr gebot.
Mir drohten oft Geschütze
Den fürchterlichsten Tod,
Oft trank ich aus der Pfütze,
Oft aß ich schimmlicht Brod.
Ich stand in Sturm und Regen
In grauser Mitternacht,
Bei Blitz und Donnerschlägen
Oft einsam auf der Wacht.
Und nun nach mancher Schonung,
Noch fern von meinem Grab,
Empfang' ich die Belohnung
Mit diesem Bettelstab.[377]
Bedeckt mit dreizehn Wunden,
An meiner Krück' gelehnt,
Hab' ich in manchen Stunden
Mich nach dem Tod gesehnt.
Ich bettle vor den Thüren,
Ich armer lahmer Mann!
Doch ach! wen kann ich rühren?
Wer nimmt sich meiner an?
War einst ein braver Krieger,
Sang manch Soldatenlied
Im Reihen froher Sieger;
Nun bin ich Invalid.
Ihr Söhne, bei der Krücke,
An der mein Leib sich beugt,
Bei diesem Thränenblicke,
Der sich zum Grabe neigt,
Beschwör' ich euch – ihr Söhne!
O flieht der Trommel Ton
Und Kriegstrommetentöne!
Sonst kriegt ihr meinen Lohn.
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Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.
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