Parodie

[199] Sagt' ich Wer und Wo und Wie?

Wenn ich sie zum besten habe,

Gleich verteilend solche Gabe,

Wär' es nicht mehr Ironie.


Wenn sich neue Liebe regt,

Pflegen sie es leicht zu wagen,

Was sie fühlend doch nicht sagen,

Wie das Herz sich auch bewegt.

Wenn es noch so leise schlägt,

Hört es doch die eine Sie,

Die ihm gern das ihre lieh';

Und so oder so geht's allen.

Wollt' ich durch den Scherz mißfallen,

Sagt' ich Wer und Wo und Wie.


Wenn die Nachtigallen schlagen

Und im dichtbelaubten Hain

Mit der Liebsten du allein,

Magst du's fühlen, doch nicht sagen.

In so wundersamen Lagen

Ist ein zu bescheidner Knabe

Selten wie ein weißer Rabe;

Und so oft sie das bestritten,

Hat es jede noch gelitten,

Wenn ich sie zum besten habe.


Wer es je im Herzen wagte,

Sich den Himmel zu erringen,

Fand oft solch ein schön Gelingen,

Daß er endlich sich beklagte.[199]

Wenn ich allzu kühn es sagte,

Tadelt nicht des Scherzes Gabe,

Nehmt zufrieden, was ich habe.

Liebe sollte Lust erwecken,

Jeder gern die Mädchen necken,

Gleich verteilend solche Gabe.

Wenn sich süß Musik ergossen,


Dürfen doch die Augen fragen,

Was im Grunde nichts will sagen,

Bleibt es bei so leichten Possen.

Was man einmal recht genossen,

Liebt man immer oder nie,

Bis die süße Frucht gedieh.

Wenn es nur bei Scherzen bliebe,

Ohne vollen Ernst der Liebe,

Gäb' es keine Ironie.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 199-200.
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