Erstes

[200] Der Blume gleich, die sich zur Sonne wendet,

Erhebt das schöne Haupt, so sanft gebogen,

Von seidner Locken Heil'genglanz umflogen,

Das Auge, das zum Himmel Strahlen sendet.


Die edle Nase, die so sinnreich endet,

Der hohe Mund, der glatten Stirne Bogen,

Der Wange braun, von Röte angeflogen,

Sie scheinen ganz zur Harmonie vollendet.


Wer sieht den Wurm an dieser Blume nagen?

Wer ahndet nahen Tod so schöner Hülle,

Die Schmerzen, die des Knaben Herz umwinden?


Zerrissen in der Harmonien Fülle,

Scheint mitleidsvoll der stille Geist zu sagen:

Das Schönste muß, erscheinend euch, verschwinden.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 200.
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