[Bittgedicht an Maria Josepha, Königin von Polen]

[148] Ach Große Königin

Hier fällt zu Deinen Füßen

Dein Lands Kind Deine Magd, die nichts verbrochen hat,

und die ganz unverschuldt schon mehr hat leiden müßen

als mancher Bößewicht für seine Mißethat.

den deutschen Schauplaz hat mein fleiß so weit getrieben

daß ihn Dein ganzes Land und andre Länder, mehr

um seine redlichkeit als Rang und Ansehn lieben;

und iezt verstößt man mich, gewiß das schmerzt mich sehr.

in Leipzig hat man mir die Ehre nicht versaget

daß ich mir für mein Geld den Schauplaz neu gebaut

Der ganze Rath die Stadt die über uns nicht klaget

hat unsere redlichkeit geprüffet und getraut

der Rath hat uns sein Wort, sein Siegel drauf gegeben,

wer nun Contracte schließt, der wird auch leicht verstehn

daß man ihn halten muß; wenn nur ein ehrlich leben

und die bezahlung folgt, kan er nicht rückwärts gehn.[148]

man hält dem Feind das Wort, man hält es dem Verbrecher

wenn man ihm zugesagt, er soll erhöret seyn

selbst die Gerechtigkeit ist aller Boßheit rächer

und dennoch schlägt ihr Schwerd nicht nur gerade drein.

nun kömt ein fremder Mensch, er sey in seinen würden

und bittet Deinem Herrn den mächtigsten August

mir wieder alles recht gewaltsam auf zu bürden,

daß er auf meinem Plaz, den arlequin zur Lust

mit meinen Hab und Guth darf schmücken und beehren

und daß der Leip'zer Rath nun soll gehalten seyn

sein Siegel Hand und Wort leichtsinnig um zukehren,

der schämt sich das zu thun und komt darwieder ein

Ach Große Königin das hab ich Dir zu klagen,

weil mich in diesen Fall Dein Herz erhören kan,

in Hofnung daß Du mich nicht grausam wirst verjagen

den ich beschwöres Dir ich habe nichts gethan.

aus Müllers bitte kanst Du sein Gemüth erkennen,

er hat zwar Deine Gnad allein er braucht sie schlecht

will mir mein wenig Brod mein Haab und Guth nicht gönnen

denn das was er verlangt, ist mein vor Gott und Recht

Du hast ein Königreich, ach laß mir meine Hütte

und schenck mein Haab und gut nicht einem fremden Mann

O! Große Königin das ist die Höchste Bitte,

die Deine Groß Muth mir gar leicht gewähren kan;

Gieb Müllern was Du wilst und mehr als er verdienet

mach seine Armuth reich, und Deiner Gnade wehrt

ich gönne ihm mehr als das, ob er sich gleich erkühnet

und von mir hab und Guth nicht redlich hat begehret;

verschaff ihm ehr und Guth und lauter große Gaben

schenck ihm von Deiner Huld den ganzen Überfluß,

wenn er es brauchen lernt so mag er alles haben

wenn ich nur nicht dabey mein Guth verliehren muß.

er kan mit meinen Guth nicht reich und seelig werden

denn Gott hat schon den Fluch in das Gesez gelegt:

Du solst nicht, heist es da, vom nechsten auf der Erden

begehren was sein ist! wenn Dich nun das bewegt

so nimm ihn diesen Fluch und lehr ihn recht gehorchen

denn wird er auch für Dich vielleicht ein treuer Knecht,

und siehe, daß auch Gott durch Dich will für mich sorgen,

wenn er Dein Herze rührt, und Du erhörst mich recht.

ich kan ja nichts dafür, daß ich auf Erden lebe

daß Gott in Deinem Land mir meinen othem gab,

thu ich denn unrecht dran daß ich mich drum bestrebe,

und suche daß ich auch darinnen Nahrung hab?

laß mich die Brosamen in Deinem Land genießen

die er nicht brauchen kan und ihm verächtlich seyn,

ich hab genug daran es soll mich nicht verdrießen

nur räum ihm nicht mein Guth und mein Vermögen ein![149]

verwehr mir nicht die Lufft! den Müller zu erhalten;

doch braucht Dein Hoher Ruhm noch eine Kleinigkeit,

so sprich, daß ich für Dich soll hungern und erkalten

hier bin ich, und darzu auf Deinen winck bereit. –

Dir große Königin soll dieses leichte Blatt

das nebst der Ehrfurcht, nichts als diesen inhalt hat:

Ein fremder suchet mich um Haab und Guth zu bringen

Halt dieser Boßheit ein, laß meinen Wunsch gelingen.


Quelle:
Friedrich Johann Freiherr von Reden-Esbeck: Caroline Neuber und ihre Zeitgenossen. Leipzig 1881, S. 148-150.
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