Für Polen

[153] Das Lied vom Rhein – es klang so hell

Im Süden gestern noch und Norden;

Wie ist das Weiße doch so schnell

In Deutschland wieder schwarz geworden!


Wo stob er hin, der Sängerchor?

Und warum schweigt er heut so stille?

Ach! er erschien, ach! er verlor

Sich – immer nach der Herren Wille.


Was gestern Recht war für den Rhein,

Ist's heute nicht auch Recht für Polen?

Soll Polen nicht auch Polen sein,

Weil wir als Räuber mitgestohlen?


Ist Fürstenwort solch Zauberwort,

Daß es kann Tag in Nacht verkehren?

Sind Herz und Hirn bei uns verdorrt?

Und läßt Vernunft sich so entehren?


Vergaßet ihr das Einmaleins,

Ihr unergründlich tiefen Denker,

Ihr Zionswächter unsres Rheins

Und jeder fremden Freiheit Henker!


O deutsches Volk, das hoffend drängt

Sich an der reichen Zukunft Schwelle,

Was auch die Sterne dir verhängt,

Sei nicht des Zaren Spießgeselle!
[153]

Horch auf den Sturm, der neu erbraust,

Auch deine Frucht vom Baum zu schütteln,

Eh eisige Barbarenfaust

Dich wird aus deinen Träumen rütteln!


Tritt nicht, was du bei dir gesät,

In fremdem Land mit Rosseshufen;

Nicht deine eigne Majestät

In Völkern, die nach Freiheit rufen!


Du suchst dich selbst aus tiefem Grund

Der harten Knechtschaft aufzuschwingen,

Willst du dein Joch zur selben Stund

Den andern auf den Nacken zwingen?


Soll noch einmal im wilden Streit

Hinmorden unsrer Kinder Lanze

Die ewige Gerechtigkeit

Dem alten Gleichgewichtspopanze?


Weh über uns in solchem Krieg!

Wir wandeln keine Ruhmesbahnen.

Ich rufe: den Empörern Sieg!

Und jede Schmach auf deutsche Fahnen!


Quelle:
Herweghs Werke. Berlin und Weimar 1967, S. 153-154.
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Die Serapionsbrüder

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Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica

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