4. Siegesbotschaft

[231] (Am Abend des 18. April 1864)


Tanz

Ist heut' im Kruge zu Vehlefanz.[231]

Oben, auf rotgestrichner Empore,

Sitzt die Musik in vollem Chore:

Klarinette, Geigen, Contrebaß,

Und vor jedem ein Pult und ein Weißbierglas.

Und unten drehn sich, in Schott'schem und Walzer,

Die Paare, dazwischen ein Juchzer, ein Schnalzer,

Und Zug und Hitze und blakende Lichter,

Am Fenster neugierige Kindergesichter,

Ein Rempeln und Rennen, ein Stoßen und Stemmen,

Und mit eins: »Da kommt ja der Neumann aus Cremmen.

Der Laatsche-Neumann. Was will denn der?

Laatsche-Neumann, hierher, hierher,

Er bringt was, stillgestanden, stramm,

Ich wett', er bringt ein Telegramm.«

Und Neumann, plötzlich steht er oben,

Sie haben ihn auf den Tisch gehoben.


»Lesen ...«

»Muß erst zu Puste kommen ...«

»Lesen ...«

»Düppel ist genommen;

Wir Schanze fünf, Garde Schanze sieben,

Feldwebel Probst beim Sturme geblieben.

Verluste wenig. Danske viel ...«


Alles sich in die Arme fiel,

Und zu wissen, wie's eigentlich gewesen,

Muß Neumann es immer wieder lesen.


Dem aber will es nicht mehr zu Sinn.

»Vehlefanzer, wo denkt ihr hin,

Habe noch andre gute Bekannte ...«


»Welche denn, welche?«

»Muß noch nach Schwante.«


»Schwante, die lumpigen tausend Schritt,

Hurra, Neumann, da kommen wir mit.«[232]


Und hinein in die laue Frühlingsnacht

Ganz Vehlefanz hat sich aufgemacht.

Neumann laatscht nach.


Schwante lag schon in Schlaf,

Als aber die Siegesbotschaft es traf,

Ward's wach.


Der Mond am Himmel stand,

Und in Jubel stand das Havelland.


Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 231-233.
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