An die Venus.

[103] Nimm mich auf in deinem Heiligthume,

laß mich küssen die geweihte Blume,

die ein lockichtes Gebüsch beschützt.

Führe mich zur purpurfarb'nen Grotte,

wo dem weltberühmten kleinen Gotte

heiße Wollust still zur Seite sitzt.


Reiche mir der Liebe Taumelschale,

daß mein Lied dir meinen Dank bezahle,

daß mein Opfer nur der Wahrheit treu,

nicht der Abdruck thörischter Gefühle,

nicht ein Traum vom süßen Minnespiele,

nein, begeistertes Entzücken sei.


Laß mich sterben in verliebten Küssen,

und in Doris Armen mich zerfließen,[103]

wenn ihr Schooß nach meinem Thaue lechzt,

Dunkel das erstarrte Aug' umhüllet,

Lebensopfer meinem Pfeil entquillet,

und aus ihrer Brust die Wollust ächzt.


Dann so will ich deine Freuden singen,

Opfer dir auf deinem Altar bringen,

Opfer der entflammten Jugendkraft;

täglich mich im Liebesrausch entzücken,

täglich Mädchenkränze dir zerpflücken,

kleine Kränze wahrer Jungferschaft.


Locken, die von Lebenstropfen glänzen,

sollen deinen Weihaltar bekränzen,

wo sie Rosenquellen einst umlaubt.

Mädchenblut soll ihn mit Purpur färben,

und ich selbst will hier im Kämpfen sterben,

wenn das Alter mir die Kräfte raubt.


Ung[enannt].

(= Johann Gabriel Bernhard Büschel;

1758–1813)[104]

Quelle:
Nuditäten oder Fantasien auf der Venus-Geige. Padua [o. J.], S. 103-105.
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