Der Frühlingstag

Sophiens Schatten gewidmet

[140] Wenn über mir das reine Blau der Luft

Und rings um mich der Blüthenbäume Duft

Den Frühlingstag in mein Gedächtniss ruft,

Der unsre Herzen liebend einst verband,

Als ich zuerst Dein Innerstes verstand –

Dann blick' ich, wie in meines Glücks Ruinen,

Hin auf Dein Grab, um das Cipressen grünen.


Und dann berührt das Bild vergangner Stunden

Auf's neu in mir der ew'gen Trennung Wunden.

Dich zu verlieren hatt' ich Dich gefunden! –[140]

Und Thränen fliessen jenem Frühlingstag

Und Dir, die Du ihm lächelnd glichest, nach.

Doch ach, so heiss, so bitter sie auch rinnen –

Sie können nicht der Gruft Dich abgewinnen.
[141]

Quelle:
Charlotte von Ahlefeld: Gedichte von Natalie. Berlin 1808, S. 140-142.
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